Widerruf beim Online-Kauf Teil 1 ⚖️: Die Ausnahmen

Online-Shopper*innen, die eine Bestellung bekommen, haben ab Erhalt 14 Tage Widerrufsfrist. Sie können Ihren Kauf also rückgängig machen. Doch dieses Recht gilt längst nicht für alle Artikel. Welches sind die Ausnahmen? Und welche Grenzfälle gibt es?



Das Widerrufsrecht beim Online-Kauf ist wichtig. Denn wir Käufer*innen können ja die Ware vorher nicht ansehen und ggf. testen wie in einem Geschäft vor Ort. Allerdings lässt der Gesetzgeber auch Ausnahmen vom Widerrufsrecht zu. Diese stehen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unter §312g.

Warum gibt es die Widerrufsausnahmen?

Immer dann, wenn der Widerruf für den Unternehmer unzumutbar ist, gilt die Ausnahme vom Widerrufsrecht. Das bedeutet aber nicht, dass der Widerruf ausgeschlossen werden kann, nur weil es für das Unternehmen wirtschaftliche Nachteile hat. Vielmehr ist hier der Gesetzgeber sehr Verbraucher*innen-orientiert. Die Ausnahmen sind sehr eng gefasst.

Welche Ausnahmen beim Online-Kauf gibt es genau?

1. Waren, die individuell für die Kund*innen angefertigt werden oder eindeutig auf deren persönliche Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Ein Porträt, was extra für eine Person gemalt wurde, kann nicht einfach zurückgegeben werden.

2. Verderbliche Waren und Waren, deren Verfallsdatum schnell überschritten wäre.

Bestelltes Obst und Gemüse würde zu schnell verderben. Hier gilt kein 14-tägiges Rückgaberecht.

3. Produkte, die aufgrund des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene versiegelt sind und deren Siegel gebrochen wurde.

Angebrochene Augentropfen oder künstliche Tränenflüssigkeit kann aus hygienischen Gründen nicht zurückgegeben werden.

4. Waren, die nach der Lieferung untrennbar mit anderen Dinge vermischt wurden.

Heizöl ist für diese Warengruppe ein typisches Beispiel.

5. Ton- oder Videoaufnahmen sowie Computersoftware in einer versiegelten Packung, falls das Siegel gebrochen wurde.

Eine CD ließe sich einfach kopieren und wieder zurücksenden, wenn für diese das Widerrufsrecht gelten würde.

6. Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten. Ausgenommen davon sind Abonnement-Verträge. Für die gilt das Widerrufsrecht.

Einfach eine Zeitschrift als Frühstückslektüre bestellen und dann die Zeitschrift zurückschicken und das Geld zurückhaben wollen, geht nicht.

7. Aktienkauf und andere Finanzdienstleistungen.

Wer Aktien kauft, kann die nicht einfach zurückgeben.

Es gibt noch weitere Ausnahmen, die allerdings praktisch nichts mit dem Online-Handel zu tun haben. Wer sich dafür interessiert, kann sie hier nachlesen.

Ausnahme vom Widerruf ist KEIN Verzicht auf die Gewährleistung

Aber keine Angst, kein Recht auf Widerruf bedeutet NICHT, dass Sie jeden Artikel nehmen müssen. Hat etwa die Malerin statt des bestellten Portraits von Ihnen ein Obststillleben gemalt, dann haben Sie natürlich ein Recht auf Ihr Antlitz in Öl. Und wenn die Blu-ray Disc im Player nur ruckelt und zuckelt, dann dürfen Sie auch dafür Ersatz verlangen.

Grenzfälle: Darf hier der Widerruf ausgeschlossen werden?

1. Autoreifen

Frau Maier bestellt komplette Autoreifen. Diese lässt Frau Meier mit bestimmten Felgen und einem speziellen Reifentyp bestücken. Kann Frau Meier diese Bestellung widerrufen? Immerhin wurden ja die Reifen nach Ihren Wünschen zusammengestellt.

Antwort: Ja, sie kann, denn die Rücknahme stellt keine unzumutbare Belastung des Online-Händlers dar.1

2. Couch

Das Ehepaar Maurer ordert eine Couch. Es stellt dazu aus 17 Farben, die sich untereinander kombinieren lassen, eine individualisierte Sitzgelegenheit zusammen. Nach dem Kauf, will das Ehepaar aber die Couch dann doch nicht mehr haben. Ist der Widerruf hier möglich?

Antwort: Hier kommt es darauf an, wie stark die Individualisierung ist. Ist es eine marktübliche Farbkombination, dann kann der Widerruf nicht ausgeschlossen werden.2
Sind die Farben aber individueller, sodass der Couch-Händler das Sofa unmöglich wieder verkaufen kann oder nur mit einem sehr hohen Nachlass, dann darf der Widerruf ausgeschlossen werden.3

3. Individuell konfigurierter Computer

Maxi bestellt einen neuen Gaming-PC. Dazu kann sie unterschiedliche Komponenten wie Arbeitsspeicher, Festplattenart und -größe, Prozessor und Grafikkarte individuell zusammenstellen. Nachdem sie den PC erhalten hat, widerruft sie den Kauf. Darf der PC-Händler hier den Widerruf verweigern? Immerhin wurde der PC nach den Wünschen von Maxi gebaut.

Antwort: Der Händler darf den Widerruf nicht verweigern. Der Rückbau der PC-Komponenten stellt keinen unzumutbaren Aufwand dar.4

Generell gilt beim Widerruf

Ausnahmen vom Widerrufsrecht sind nur erlaubt, wenn für die Händlerin oder den Händler die Rücknahme mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. Das ist in der Regel dann so, wenn die Ware nach der Rücknahme nicht weiterverkauft werden kann oder nur mit großen Preisnachlässen.


Und nächste Woche im Blog

Am nächsten Freitag kommen wir zum zweiten Teil dieser kleinen Reihe über den Widerruf. Dann beschäftigen wir uns mit Online-Shops, die Kund*innen sperren, weil diese angeblich zu viele Bestellungen widerrufen. Dürfen die Shops das überhaupt?


Haftungsausschluss:

MyPaketshop hat alle Informationen sorgfältig recherchiert und geprüft, trotzdem können wir keine Haftung für Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität übernehmen. Auch erbringen wir keine Leistungen, die gemäß Steuerberatungsgesetz und Rechtsberatungsgesetz den entsprechenden Berufsträgern vorbehalten sind.


Quellen:

  1. vgl. “Widerruf bei Kauf von auf Felgen gezogenen Reifen möglich”, https://www.online-und-recht.de/urteile/Widerruf-bei-Kauf-von-auf-Felgen-gezogenen-Reifen-moeglich-13-S-36-08-Landgericht-Hannover-20090320/ (abgerufen am 30.04.21)
  2. vgl. “AG Dortmund, Urteil vom 28.04.2015 – 425 C 1013/15”, https://openjur.de/u/854207.html (abgerufen am 30.04.21)
  3. vgl. “Kein Widerrufsrecht des Verbrauchers für ein über das Internet bestelltes farblich individuell zusammengestelltes Sofa”, https://www.kostenlose-urteile.de/LG-Duesseldorf_23-S-11113-U_Kein-Widerrufsrecht-des-Verbrauchers-fuer-ein-ueber-das-Internet-bestelltes-farblich-individuell-zusammengestelltes-Sofa.news22425.htm (abgerufen am 30.04.21)
  4. „Vermutung der Verbrauchereigenschaft – Das rechtsgeschäftliche Handeln einer natürlichen Person spricht zunächst für ein Verbraucherhandeln. Kein Ausschluss des Widerrufsrecht bei Wunschkonfiguration im Baukastensystem.“, https://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=2261 (abgerufen am 30.04.21)