Interview mit Simon Kühn 📞 – 26 Tage offene Grenze

Fast vier Wochen ist die Grenzöffnung her. Was war in den ersten Tagen bei MyPaketshop los? Wie ging es unseren Kund*innen, die nun wieder zu uns kommen konnten? Was für Probleme gab es? Was für erfreuliche Erlebnisse? Im Interview mit Simon Kühn verraten wir es.

Wie war der erste Tag der Grenzöffnung?

Ich war richtig aufgeregt, als ich am Montagmorgen in die Wallbacher Straße kam. Und als ich dann sah, dass schon weit vor 9 Uhr die ersten Kunden auf dem Parkplatz einfuhren, wusste ich: Es wird ein stressiger Tag werden. Mit dieser Einschätzung sollte ich auch Recht behalten. Es wurde stressig.

Aber: Es war ein schöner Stress. Mein Team und ich haben uns wirklich gefreut, wie viele Kund*innen zu uns kamen. Es war eine riesige Erleichterung, denn die Monate davor waren wirklich nervenaufreibend. Immer stand die Frage im Raum: „Wie geht es weiter?“ Und als die Grenzöffnung kurz bevorstand, scherte die deutsche Regierung aus und wollte erst am 16. statt am 15. Juni die Grenzen öffnen. Das hätte ein riesiges Chaos verursacht. Glücklicherweise besann sich Berlin und zog mit den anderen europäischen Staaten und der Schweiz mit.

Wie viele Kunden waren am ersten Tag da?

An dem Montag (15. Juni) wurden allein in den ersten zwei Stunden 1000 Pakete abgeholt. Insgesamt gingen den ganzen Tag fast 4000 Sendungen über die Theke und rund 2000 Kunden waren bei uns.

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Der 15. Juni bei MyPaketshop: Alles andere als ein normaler Montag. Schon lange vor der offiziellen Öffnung des Paketshops warteten die ersten Kund*innen.

Was haben Sie gedacht, als Sie am Montag die vielen wartenden Kund*innen sahen?

Das war wirklich merkwürdig, weil meine Gedanken irgendwie zwiespältig waren: Auf der einen Seite dachte ich, dass es zu viele Kund*innen wären. Ich wollte nämlich auf keinen Fall, dass jemand ewig bei uns warten muss. Das war also die eine Seite und die andere Seite war: Dass ich mich total gefreut habe, über so viele Kund*innen, die gleich am ersten Tag gekommen sind.

Aber Sie hatten sicher mit einem Ansturm gerechnet, wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

In der Woche vor der Grenzöffnung haben wir vor allem die Sendungen unserer Kund*innen vorsortiert. So mussten wir nicht erst die einzelnen Sendungen bei der Abholung zusammensuchen, sondern alles stand griffbereit an einem Ort im Lager. Dann hat am Montag (15. Juni) nicht nur mein gesamtes Team im Paketshop gearbeitet, sondern ebenso meine Familie. Meine Frau sowieso, sie gehört ja zu meinen Mitarbeiter*innen, aber es halfen auch mein Bruder und mein Vater.

Und mussten die Kund*innen warten?

Sicher mussten sie warten, aber alle hatten Verständnis für diese Ausnahmesituation. Da hat niemand gemeckert oder so. Und wir haben auf dem Parkplatz die Kundennummern eingesammelt, um die entsprechenden Bestellungen schonmal aus dem Lager holen zu können. So lief dann alles sehr schnell, wenn die Kund*innen in den Laden kamen.

Wie verlief die restliche Woche?

Die nächsten Tage waren nicht ganz so stressig wie der Montag, aber es war dennoch ungemein viel los bei uns. Meine Mitarbeiter*innen und ich hatten keine Zeit für Pausen. Aber wie gesagt: Es war ein positiver Stress. Wenn wir nämlich am Abend die Türen schlossen, waren wir ziemlich erschöpft, aber auch glücklich über unsere treuen Kund*innen.

Und wie viele Pakete wurden bis heute seit der Grenzöffnung abgeholt?

Es waren genau 16.117 Sendungen.

Wie haben die Kund*innen reagiert, wieder zu MyPaketshop zu können?

Das ging mir wirklich zu Herzen, denn ganz viele Kund*innen haben sich richtig gefreut. Das haben sie gesagt und ich hab es auch gespürt. Viele bedankten sich dafür, dass wir keine Überlagerungsgebühren kassiert haben und keine Pakete zurückschickten. Ausserdem waren sie von unserem Verzollungsservice begeistert. Sie meinten, dass er ihnen die Grenzschliessung erträglich machte und wichtige Waren so zu ihnen trotz Lockdown gekommen sind. Das hat mich natürlich richtig gefreut.

Akzeptieren die Kund*innen die Corona-Massnahmen? In den regionalen Zeitungen wird ja viel von „unwilligen“ Schweizer*innen berichtet, die keine Masken tragen wollen.

Ich kann aus meiner Erfahrung im Geschäft sagen: Von 1000 Kund*innen tragen 995 eine Maske. Und die 5, die keine Maske tragen, haben sie einfach vergessen. Unsere Kund*innen akzeptieren die Massnahmen und halten sich an alle Regeln. Ich habe eher das Gefühl, dass unsere Kund*innen es sehr schätzen, dass uns ihre Gesundheit wirklich am Herzen liegt.

Was in den Zeitungen steht, halte ich für billigen Populismus. Da wird auf Stimmenfang gegangen nach dem Motto: Wir gegen die Anderen. Aber ich sehe unsere Region und die Menschen hier als zusammengehörig und nicht getrennt durch eine Grenze.

Gab es sehr aussergewöhnliche Abholungen?

Oh ja, da gab es einige. Ich denke da an einen Whirpool, den wir hier hatten oder an Badewannen und Duschkabinen. Paletten mit Hundefutter sowie Klimaanlagen wurden ebenso heiss ersehnt. Auch haben einige unserer Kund*innen 70 Pakete und mehr auf einmal abgeholt. Die kamen dann gleich mit einem kleinen Transporter vorgefahren, damit das alles reinpasst.

Die ganze „Ameise“ voll mit Paketen wird zum Auto gebracht. Solche Bilder gab es nach der Grenzöffnung oft zu sehen.

Was denken Sie, wann werden die letzten Corona-Massnahmen eingestellt?

Da kann ich wirklich keine seriöse Schätzung abgeben, da wir alle nicht wissen, wie sich die Lage entwickelt. Aber ich glaube, wir müssen auch im Herbst und Winter mit Einschränkungen rechnen.

Sollten die Grenzen wieder geschlossen werden, wenn es zu einer neuen Infektionswelle kommt?

In unserem Landkreis und Nachbarlandkreis sind 60.000 Pendler unterwegs und auch der Warenverkehr floss während der Grenzschliessung. Das bedeutet, richtig zu war die Grenze eh nie – sprich: Infizierte konnten weiterhin von einem Land ins andere kommen. Sowieso kann eine Grenzschliessung nie die Verbreitung eines Virus verhindern. Das sehen wir an Staaten, die die Grenzen sofort schlossen und trotzdem gab es dort Infektionen.

Und die Angst vor Hamsterkäufen durch Schweizer*innen, die schürten bestimmte Zeitungen. Da wurde so getan, als ob den Deutschen alles weggekauft wird, wenn die Grenzen nicht geschlossen werden. Absoluter Quatsch das Alles. Bis auf ein paar Engpässe beim Klopapier, durch Hamsterkäufer, gab es nämlich nie Probleme mit der Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs. Das weiss ich von einem Vertreter der grössten Edeka-Handelskette hier in der Region. Also war diese ganze Grenzschliessung wenig sinnvoll.

Gibt es natürlich einen Hotspot in einer Region, dann müssen auch angemessene Massnahmen ergriffen werden. Aber eine generelle Grenzschliessung halte ich nicht für notwendig. Sowieso fühlt sich unsere Region hier wie ein Land an und nicht wie zwei, die man trennen sollte.

Wie ist die Situation jetzt bei MyPaketshop?

Im Endeffekt haben sich die Kundenzahlen und die Bestellungen, die täglich bei uns eintreffen, auf dem Niveau von vor der Krise eingepegelt. Ich denke sogar, dass im Herbst noch mehr Kund*innen unseren Service nutzen werden.

Also ist alles beim alten?

Nicht ganz, der Samstag hat sich geändert. Aktuell kommen an diesem Tag kaum Kund*innen zu uns. Das war vor der Grenzschliessung ganz anders. Deshalb ist es zurzeit wirklich günstig am Samstag zu uns zu fahren. Da muss niemand lange warten, meist kommen die Leute gleich dran. Das ist schon eigenartig. Und auch der Zoll hat mir gesagt, dass am Samstag kaum Schweizer*innen zum Abstempeln der Ausfuhrbelege kommen.

Haben Sie dieses Jahr Zeit für einen Urlaub mit der Familie?

Leider, leider wird dieses Jahr unser Familien-Urlaub flach fallen, es gibt einfach sehr viel aufzuarbeiten. Ausserdem fordert der neu entstandene Verzollungsservice Zeit und Aufmerksamkeit. Aber ich mach es wirklich gern, da ich meine Arbeit liebe.

Mit den Kindern werden wir aber sicher Ausflüge machen. Nur müssen meine Frau und ich schauen, wohin wir fahren. In bestimmten Touristenregionen hocken die Leute dicht wie die Hühner auf der Stange nebeneinander. Das haben wir erst letztes Wochenende am Bodensee erlebt. Das kann nicht gut sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

(Das Interview wurde per Telefon geführt.)


Nächste Woche im Blog

In der nächsten Woche wenden wir uns mal wieder unserem Lieblings-Versandriesen zu: Amazon. Es gibt einige interessante Details über dessen Aktivitäten in Deutschland zu berichten. Die betreffen sicher auch viele unserer Kund*innen. Also schauen Sie nächste Woche wieder rein.